Abstract Im Rahmen der Bachelorarbeit wurde das Thema Verbundenheit und verbundenheitsvermittelnder Technologien untersucht und in Bezug zum Kontext der stationären Pflegeeinrichtungen gesetzt. Die Arbeit basiert auf den Ergebnissen einer zuvor durchgeführten Vorstudie im Umfang von 10 Wochen zum Thema „Der alternde Mensch und dessen Lebenswelt mit dem Fokus auf dem Leben in stationären Pflegeeinrichtungen“. Innerhalb dieser 10 Wochen wurden eine Literaturrecherche und eine empirische Erhebung in Form von Interviews und einer Cultural Probes Studie mit Senioren in stationären Pflegeeinrichtungen und deren Angehörigen durchgeführt. Aufbauend auf den Ergebnissen wurden innerhalb der Bachelorarbeit die psychologischen Grundlagen von Verbundenheit und die bisher eingesetzten Strategien zur Erzeugung eines Verbundenheitserlebnisses durch interaktive Technologien untersucht und Anforderungen an ein verbundenheitserzeugendes System im Kontext stationärer Pflegeeinrichtungen abgeleitet. Die Arbeit zeigt exemplarisch ein System zur Steigerung der emotionalen Verbundenheit im Kontext der stationären Pflegeeinrichtungen zwischen den Senioren und der Familie in der Konzeption und prototypischen Realisation. Die Bachelorarbeit entstand in der Abteilung UX-Design der Firma iconmobile (Berlin). Hintergrund Gerade im Kontext der stationären Pflegeeinrichtungen, wo der Wunsch nach täglichem persönlichen Kontakt zur Familie durch die räumliche Distanz, die beruflichen und familiären Verpflichtungen der Familienangehörigen und dem daraus resultierenden Zeitmangel erschwert wird, ist ein kontinuierliches Bedürfnis nach Verbundenheit vorhanden. Vermehrt wird bereits in anderen Kontexten versucht technische Lösungen zu entwickeln, die auf die Erfüllung des Verbundenheitsbedürfnisses abzielen [e.g. Ve05; DD06; Ha12]. Hassenzahl et al. [Ha12] haben insgesamt 92 Publikationen mit 143 Artefakten zum Thema Verbundenheit aus dem Bereich der Mensch-Computer-Interaktion und dem Interaction Design untersucht und auf Basis dessen sechs verschiedene Strategien identifiziert, wie Designer bisher versuchen ein Gefühl der Verbundenheit mittels Technologien zu erzeugen: awareness, expressivity, physicalness, gift giving, joint action und memories [Ha12]. Die einzelnen Strategien unterscheiden sich wesentlich darin, über welchen Aspekt versucht wird, ein Verbundenheitsgefühl zu erzeugen. Je nach Aspekt werden unterschiedliche psychologische Subbedürfnisse angesprochen, die mit dem Gefühl der Verbundenheit/Einsamkeit einhergehen. Konzept Der Fokus des innerhalb der Bachelorarbeit entwickelten Konzeptes lag auf der Erzeugung eines kontinuierlichen Verbundenheitsgefühls durch minimale Interaktion und der Erzeugung eines verstärkten Verbundenheitsgefühls zur Abendzeit, welche häufig mit Gefühlen der Einsamkeit und Gedanken an die Familie verbunden sind. Das System besteht aus zwei miteinander verbundener Komponenten, welche in Bezug auf die jeweilige Nutzergruppe eine vertraute und intuitive Interaktion ermöglichen soll. Der Kommunikationskanal wird hier durch einen Bilderrahmen mit einem analogen Foto des verbundenen Familienmitgliedes (Seite der Senioren) und einer funktionalen Applikation auf Seiten der Angehörigen erzeugt. Das System versucht durch die Kombination von drei Strategien sowohl ein kontinuierliches als auch ein verstärktes Verbundenheitsgefühl zwischen den Senioren und deren Familie zu erzeugen: Awareness, Expressivity und Gift Giving. Awareness: Der Begriff Awareness beschreibt das Bewusstsein oder die „Gewahrwerdung“ einer Person [„Awareness is the state of knowing about the environment in which you exist; about your surroundings, and the presence and activities of others.“] [Vgl. [Wi98] S. 3]. Viele Konzepte im Bereich Awareness nutzen den Austausch von verschiedenen impliziten Informationen wie z.B. das Lachen der Kinder oder eine abstrakte Repräsentation der aktuellen Aktivitäten oder der Stimmung einer entfernten Person, um ein Gefühl der Verbundenheit zu erzeugen. Zur Erzeugung eines kontinuierlichen Gefühls der Gewahrwerdung wird der Fokus im Rahmen der Arbeit auf das Übertragen zweier wesentlicher Informationen gelegt: Das morgendliche Aufstehen und das abendliche zu Bettgehen, welche eine alltägliche Routine der Menschen darstellt und den Anfang und das Ende eines Tages symbolisiert. Das System überträgt daher das Ein- und Ausschalten des Lichtes am Morgen und am Abend an das jeweilig andere Objekt (Bilderrahmen oder App). Die abstrakte Darstellung der Information erlaubt einen Interpretationsspielraum und kann als ein „Guten Morgen“ und ein „Gute Nacht“ interpretiert werden und erzeugt automatisch einen täglichen Kontakt zwischen Senioren und der Familie ohne eine bewusste Interaktion. Expressivity: Expressivity befasst sich im Wesentlichen mit der Kommunikation von Emotionen und Gefühlen. Während die Strategie Awareness eher ein kontinuierliches, grundlegendes, indirektes und beiläufiges Verbundenheitsgefühl zur Familie erzeugt, zielt die Strategie Expressivity durch das gegenseitige Ausdrücken der Gefühle auf die Erzeugung eines stärkeren Verbundenheitserlebnisses zwischen dem Senior und bestimmten Familienmitgliedern ab. Angehörige können noch so oft an den älteren Menschen denken, aber wenn dieser sich dessen nicht bewusst ist bzw. dies nicht mitbekommt, kann das Gefühl entstehen, unwichtig und unbedeutend für die Familie zu sein. Allein die Übermittlung dieser Information soll daher ein Gefühl der Gewissheit, inneren Zufriedenheit und Wertschätzung bei dem Senior erzeugen. Durch einen längeren Tab in der App durch einen Angehörigen oder durch das längere Betrachten eines Familienbildes durch den Senior können einfache Signale über die Obejkte an die entfernte Person übertragen werden. Durch die Einfachheit der Interaktion in Kombination mit der asynchronen Übertragung soll die Benutzung trotz des Lebens im Seniorenheim, der körperlichen Einschränkungen der Senioren oder des Zeitmangels der Familienangehörigen gewährleistet werden. Gift Giving: Im Gegensatz zu den anderen Strategien bezieht sich die Strategie Gift Giving auf Konzepte, die das freiwillige Geben und Nehmen von Geschenken adressieren. Im Rahmen der Bachelorarbeit wurde auf diese Strategie zurückgegriffen um auf besonders schwierige Zeitpunkte (hier bezogen auf den Abendzeitraum) für den Senior im Heim zu reagieren und ein verstärktes Gefühl von Verbundenheit genau in diesem Moment zu erzeugen. Angehörige haben so die Möglichkeit innerhalb der App kleine Storys in Form von Sprachnachrichten, Videos und/oder Bildern zu erstellen, welche dem Senior zu bestimmten Zeitpunkten übermittelt werden können. Die Familienangehörige können so flexibel und einfach kleine persönliche „Geschenke“ für den Senior in für sie passenden Momenten am Tag erstellen, die genau bei Eintreten eines bestimmten Zeitpunktes an das Objekt im Zimmer des Seniors geschickt werden. In Form eines pulsierenden Lichtes im Rahmen des Bildes wird der Senior auf das neue „Geschenk“ aufmerksam gemacht und kann dieses durch ein längeres bewusstes Betrachten des Bildes auspacken. Die digitalen Inhalte werden mittels eines transparenten Displays über dem „realen“ Familienbild angezeigt und übermitteln automatisch nacheinander die Inhalte (bestehend aus Videos, Bildern, Sprachnachrichten). Konzeptdetails Familienbilder stellen für viele der älteren Menschen einen emotionalen und persönlichen Gegenstand dar, der sie mit der Familie verbindet und einen Bezug zur vertrauten, gewohnten Lebenswelt herstellt. Diese Verbindung wurde genutzt und durch technische Komponenten in Form eines transparenten LCD Displays, der über dem eigentlichen Bild liegt, verstärkt. Das Objekt besitzt zudem zwei im Rahmen integrierte LED Streifen. Der innere LED Streifen wird für eine diffuse Beleuchtung des Fotos genutzt, die entsprechend der Tag und Nachtaktivität des jeweiligen Familienmitglieds ein- oder ausgeschaltet ist. Der zweite LED Streifen im Rahmen des Bildes wird zur Informationsvisualisierung genutzt und gibt Feedback über den Blickerkennungszustand, des emotionalen Ausdrucks und eines Geschenkes. Im oberen Bereich des Bilderrahmens befindet sich eine Kamera, die für zwei wesentliche Funktionen genutzt wird: Einerseits zur Blickerkennung und der damit verbundenen Blicksteuerung und anderseits zur Nutzer-Identifikation, die gewährleisten soll, dass das System in den Hauptfunktionen nur vom Senior und nicht versehentlich durch das Pflegepersonal oder andere Bewohner im Seniorenheim ausgelöst wird. Um eine Bedienung des Gerätes trotz kognitiver und/oder körperlicher Einschränkungen (im Rollstuhl) oder einer möglichen Angst vor der Bedienung technischer Geräte zu gewährleisten, wird die natürliche Interaktion älterer Menschen in Bezug auf Familienbilder aufgegriffen: Der Blick auf das Bild. Durch das Intuitive und die Einfachheit dieser Interaktion wird das bewusste Ausführen als Eingabe und Interaktionsmedium verwendet. Erzielt werden soll eine intuitive Benutzung des technischen Systems, die trotz möglicher kognitiver oder körperlicher Einschränkungen möglich ist und die keinerlei Überwindung kostet. Durch das äußere LED-Licht im Bilderrahmen erhält der Senior nicht nur ein Feedback über einen emotionalen Ausdruck und über ein Geschenk, sondern auch über den Zustand der Blickerkennung und den Status der Übermittlung eines emotionalen Ausdrucks oder des „Auspackens“ eines Geschenkes. Aufgrund der Heterogenität des familiären Netzwerkes, über welches der Senior verfügen kann, wurde versucht, eine größtmögliche Flexibilität in der Benutzung des Systems zu gewährleisten. So kann das System sowohl von Senioren, die über ein recht großes familiäres Netzwerk verfügen, genutzt werden, als auch von Senioren bei denen vielleicht nur ein oder zwei Familienmitglieder vorhanden oder von Bedeutung sind. Abhängig von dem Platz an der Wand im Seniorenzimmer kann eine beliebige Anzahl an Objekten angebracht und beliebig miteinander kombiniert werden. Literatur [Am15] Amann-Hechenberger, B.; Buchegger, B.; Erharter, D.; Felmer, V.; Fitz, B.; Jungwirth, B.; Kettinger, M.; Schwarz, S.; Knoll, B.; Schwaninger, T.; Xharo, E.: Tablet & Smartphone: Seniorinnen und Senioren in der mobilen digitalen Welt. Forschungsbericht zum Projekt „mobi.senior.A“. Unter Mitarbeit von Daniela Kraler, Andreas H. Landl, Elisabeth Olsacher und Georg Spreitzer. Wien, 2015. [Ar87] Argyle, M.: The Psychology of Happiness. Methuen, London, 1987. 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